Zug der Erinnerung
Ein Projekt deutscher Bürgerinitiativen
In Kooperation mit:
Auf dem Aachener Hauptbahnhof betreut ein breites Bündnis aus kirchlichen, gewerkschaftlichen und kommunalen Kräften die mobile Ausstellung noch bis Mittwoch Abend (Fahrplan).
Bereits an den ersten beiden Tagen kamen fast 2.000 Gäste auf Gleis 1, insbesondere Jugendliche aus den Aachener Schulen (Foto).
Lokale Helfer (Kirche gegen Rechts, Aachener Friedenspreis u.a.) unterstützen das Zugteam und die pädagogischen Begleiter des Trägervereins; die Bahnhofsmission stellt ihre Räumlichkeiten zur Verfügung (Öffnungszeiten der kostenlosen Ausstellung: 08.00 Uhr bis 19.30 Uhr).
Bei der Begrüßung am vergangenen Sonntag warnten der Oberbürgermeister, der Regionaldekan sowie der Aachener Rabbiner Max Bohrer eindringlich vor den Umtrieben rassistischer Organisationen (Medienberichte).
Die NS-Hetze führt in Aachen und im Umland immer wieder zu Anschlägen wie jüngst auf die Synagoge der Stadt. Einen geplanten Propagandaaufmarsch am kommenden Wochenende (8./9. April) wollen die Bündniskräfte im benachbarten Stolberg stoppen.
An der Eröffnung auf Gleis 1 beteiligte sich der Trägerverein mit der folgenden Rede:
wenn wir die Opfer der NS-Verbrechen beklagen, stellt sich irgendwann auch die Frage nach den Tätern. Wer Kinder ermordet begeht nicht nur ein abscheuliches Verbrechen; er vergeht sich an der Zukunft der Menschheit. Diese Taten waren ein Angriff auf unsere Zivilisation.
Unser Gerechtigkeitsempfinden erwartet, daß die Morde gesühnt werden.
Aber die Mordhelfer, von denen einige im „Zug der Erinnerung“ zu Wort kommen, weil sie bei der „Deutschen Reichsbahn“ für die reibungslose Zuführung in die Lager sorgten, diese Mordbeihelfer haben ihre Taten nie sühnen müssen.
Nicht ein einziger ist dafür in der Bundesrepublik Deutschland verurteilt worden.
Zu den Rechtfertigungen der Täter gehört die Behauptung, sie wären nur für den betrieblichen Ablauf der Deportationen verantwortlich gewesen und für sonst nichts.
Sie hätten nur Fahrpläne erstellt, Weichen bewegt und Verspätungen zu verhindern gesucht.
Daß in den Zügen Menschen deportiert wurden, das wussten sie nicht und hätten sie es gewusst, wäre es nur dann von Belang gewesen, wenn es den betrieblichen Ablauf betraf.
Betrieblicher Ablauf: Dies ist die Generalformel, die eine strikte technische Arbeitsteilung meint, in der sich der Einzelne als Räd und Rädchen in einer großen Maschine bewegt. Vom Ziel der Bewegung weiß er nichts oder sieht sich außerstande, darauf Einfluss zu nehmen.
Die Täter, die Deportationsanordnungen gaben und Fahrpläne für den Massenmord entwarfen, haben sich stets auf diesen betrieblichen Ablauf bezogen.
Die stolzen Mitarbeiter der „Deutschen Reichsbahn“ mussten keine fanatischen Antisemiten und Nationalisten sein, um ihre Arbeit zu verrichten, solange sie beim betrieblichen Ablauf blieben, einer angeblich ehernen Gesetzmäßigkeit.
Mit dem betrieblichen Ablauf argumentiert 70 Jahre später auch das Nachfolgeunternehmen der „Deutschen Reichsbahn“.
Daß die Spitzen der heutigen Deutschen Bahn AG es dem Gedenken immer wieder so schwer machen, habe überhaupt nichts mit den Inhalten zu tun, sondern nur mit dem betrieblichen Ablauf, heißt es in Berlin.
Daß der „Zug der Erinnerung“ bisher über 200 Hundert Tausend Euro an die DB AG hat zahlen müssen, daß ihm immer wieder Behelfsgleise neben Industriebrachen und Schutthalden als Gedenkorte zugewiesen werden (so wie erst vor wenigen Tagen in Grevenbroich),
daß es erst die öffentliche Empörung ermöglicht, in einer würdigen Umgebung die Deportierten der „Deutschen Reichsbahn“ zu ehren (wie jetzt auf diesem Gleis in Aachen), das sei völlig wertfrei zu verstehen und habe nur mit den Gesetzmäßigkeiten des betrieblichen Ablaufs zu tun.
Meine Damen und Herren,
werte Freunde,
die Inhalte der Deportationswaggons, das menschliche Frachtgut, das in den Tod gefahren wurde, die Kinder und Mütter, die nach Wasser schrien, das alles blendeten die „Reichsbahn“-Täter aus und zogen sich auf die Gesetze des betrieblichen Ablaufs zurück.
Wer sich heute erneut auf Gesetze sowie auf den betrieblichen Ablauf beruft, und die Inhalte dieser Ausstellung ausblendet, der handelt nicht anders, der handelt strukturell nach dem arbeitsteiligen Motto von damals, der versucht, das menschliche Mitgefühl auf Unvermeidbarkeiten zu reduzieren, der nähert sich dem Menschenbild, das die Täter antrieb!
Meine Damen und Herren,
liebe Freunde,
nicht eine abstrakte Verantwortung bewahrt uns vor der Wiederholung der Massenverbrechen, und auch keine Vernebelung durch Begriffe wie „Extremismus“.
Nur der aktive Widerstand gegen die rassistische Verfälschung unseres Menschseins, nur der ethische Kompass, der im anderen mich selbst, der im Fremden mich als Fremden erkennt, nur der Respekt vor dem Leben wird unsere Zivilisation zu retten vermögen.